E-Bike: Valeo bringt revolutionären Motor auf den Markt | STERN.de

2022-10-26 11:38:12 By : Mr. Gary Tong

2020 kündigte der französische Autozulieferer Valeo an, dass man den E-Bike-Motor revolutionieren wolle. Bislang sind Motor und Schaltung getrennte Bauteile, wenn sie auch bei einigen Anbietern kombiniert angesteuert werden. Valeo hingegen integriert das Getriebe und den Motor in ein einziges Gehäuse. Beide können so optimal aufeinander abgestimmt werden. Vor allem aber wirkt das hohe Drehmoment des Motors nur auf Bauteile, die darauf ausgelegt wurden, diese Kräfte auszuhalten.

Zusammen mit Effigear wurde ein 7-Gang-Getriebe geschaffen. Ein Gangwechsel dauert weniger als eine Zehntelsekunde. Das Hinterrad wird über einen wartungsfreien Riemenantrieb aus Carbon angetrieben. Der Elektromotor arbeitet mit 78 Volt, und liefert ein Drehmoment von 130 Nm.

Das automatische Getriebe setzt direkt an den Pedalen an. Motorunterstützung und Gangwahl werden automatisch an die Tretkraft angepasst. Technisch dürfte es in Zukunft leicht möglich sein, auch manuell in die Gangwahl einzugreifen. Schaltfehler, die eine herkömmliche Kettenschaltung zerstören können, sind mit diesem System nicht möglich. Der Vorteil an der Lösung liegt darin, dass das Getriebe perfekt auf den Motor angepasst ist.

Vor allem die Kraftentfaltung im Bereich von 130 Nm wirkt bei Schaltfehlern zerstörerisch auf die Fahrradschaltung. Eine Nabenschaltung verträgt diese Kraft meist gar nicht. Durch die Integration in das Gehäuse kann die Schaltung sich weder verstellen noch durch Schmutz lahmgelegt werden. Das System ersetzt gleich mehrere Verschleißkomponenten des Rades. Es reduziert auch die nötige Verkabelung gewaltig. Das System ist lernfähig und soll sich auf den Stil des Radlers einstellen können. Außerdem verfügt es über eine Wegfahrsperre und eine Schiebehilfe.

130 Nm sind ein sehr ordentliches Drehmoment. Zum Vergleich: Der Performance Line CX von Bosch erreicht 85 Nm. Derzeit ist noch unklar, wie sich der Valeo-Motor "anfühlt" – Hersteller wie Bosch, Brose und Shimano legen großen Wert darauf, trotz der Motor-Power ein Fahrraderlebnis zu erhalten. Hauptproblem einer integrierten Lösung von Motor und Getriebe war bislang die Abwärme.130 Nm – gerade bei geringen Umdrehungen – führen stets zu einer starken Hitzeentwicklung und die muss das Gehäuse ohne eine aktive Kühlung absorbieren können. In der EU wird die Leistung bei 250 W liegen, dazu wird die Geschwindigkeit bei 25 km/h gekappt. Tatsächlich wird der Motor weit mehr leisten können.

Mit 130 Newtonmetern steigt Valeo ganz oben ein. So erzeugt man mit dem Superlativ auch die erwünschte Aufmerksamkeit. Für ein Fahrradfeeling ist das allerdings etwas zu stark. Neben den genannten Anwendungen für heutige Pedelecs wäre es auch ein idealer Motor für etwas schwere Fahrzeuge. Gesetzesänderungen erlauben es schon heute, dass ein E-Bike auch einen Passagier transportieren darf. Ein echtes Zwei-Personen-Rad benötigt auch einen kräftigen Antrieb. Der Motor von Valeo soll ein Lastenrad mit einem Gesamtgewicht von 150 Kilogramm mühelos Steigungen von 14 Prozent heraufbringen.

Im Frühjahr 2022 soll die Serienfertigung beginnen. Valeo wird wie auch Bosch und Brose keine eigenen Räder bauen. Zum Start wollen 14 Firmen den neuen Antrieb anbieten. Spannend dürfte vor allem der Preis sein. Wenn das kombinierte System billiger ist, als die bisherigen Kombinationen, dürfte es in jedem Fall wegen seines "Sorgenfrei"-Versprechens ein Erfolg werden.

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